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PR 2.0 – Public Relations und Social Media

„The internet has made public relations public again, after years of almost exclusive focus on media. Blogs, online news releases and other forms of web content let organizations communicate directly with buyers“ (Meerman Scott 2007: 10 f.).

Aus einigen Herausforderungen, mit denen sich der Journalismus im Internet konfrontiert sieht, ergeben sich zwangsweise neue Perspektiven für die Public Relations. Gerade die Probleme des Zeitdrucks sowie der genauen Medienmessung bieten für PR-Schaffende neue Ansatzpunkte in der Öffentlichkeitsarbeit.
Der Kampf um die schnellstmögliche Bereitstellung von Informationen sowie der Druck dauerhaft neue Informationen bereitzustellen macht Online-Redaktionen anfällig für Public Relations. Denn „viele Online-Redakteure sind überarbeitet, dankbar für jede gute Agenturgeschichte und Online-Kooperation“ (Schweins 2008: 197). So kann eine von der Public Relations „gut im Netz platzierte und distribuierte, zudem kostengünstige Online-Aktion“ (ebd.) und eine richtige crossmediale Orchestration durchaus mehr Aufmerksamkeit und Reichweite bei den anvisierten Zielgruppen erreichen, als dies durch herkömmliche PR-Maßnahmen, wie etwa Pressemitteilungen und Pressekonferenzen möglich wäre.

Eine Anekdote über das Verbreitungspotential von Sozialen Medien

Eine Anekdote, die das Potential, das von Social Media bei der Verbreitung von Informationen ausgehen kann, anschaulich zeigt, erzählt der amerikanische Blogger, Buchautor und ehemalige Microsoft-Angestellte Peter Scoble im Vorwort von David Meerman Scott`s Buch „The New Rules of Marketing & PR“ (vgl. hierzu Scoble 2007: 19 ff.).
So berichtete Peter Scoble an einem Samstagabend im Juni 2006 auf einer geschlossenen Videokonferenz gegenüber 15 anwesenden Bloggern von seinen Plänen Microsoft zu verlassen, um sich einem kleinen Startup namens PodTech anzuschließen. Da sein Arbeitsgeber noch nicht über seine Pläne informiert war, bat er darum, die Informationen bis zum darauffolgenden Dienstag geheim zu halten. Doch einer der 15 Blogger behielt diese Information nicht für sich, sondern berichtete darüber in seinem Blog. Die Information verbreitete sich innerhalb von Stunden in der amerikanischen Blogosphäre wie ein Strohfeuer.
Zwei Tage später fand sich die Information von Peter Scobles Microsoft-Abschied in unzähligen reichweitenstarken Massenmedien wieder, wie etwa dem Wall Street Journal, in der New York Times, auf der Startseite der BBC Webseite, in der BusinessWeeks, dem Economist und in weiteren knapp 140 Zeitungen weltweit, von Deutschland über England, Israel bis Australien.
Und alles nur weil Peter Scoble gegenüber 15 Bloggern von seinen Plänen erzählte und einer dieser Blogger in seinem – nicht einmal quantitativ reichweitenstarken, aber immerhin qualitativ gut vernetzten – Blog darüber berichtete.

Diese kleine persönliche Erfahrungsgeschichte von Peter Scoble zeigt recht anschaulich, welche Macht von Sozialen Medien ausgehen kann und welche Potentiale darin für Öffentlichkeitsakteure liegen.
Eine interessante Information über ein interessantes Ereignis oder eine bekannte Person kann ausreichen, um sie innerhalb kürzester Zeit über Soziale Medien und Soziale Netzwerke weltweit zu verbreiten und sie anschließend auch in reichweitenstarken Massenmedien wiederzufinden. Ähnliche Beispiele wie jenes von Peter Scoble sind heutzutage fast täglich zu finden und gehören inzwischen nicht mehr zu Ausnahmeerscheinungen, sondern prägen das Social Web.

Das Social Web hat seine eigenen Regeln

Damit kommt Sozialen Medien heutzutage eine zunehmend wichtiger werdende Rolle in der Platzierung und Weiterverbreitung von PR-Informationen zu. Gleichzeitig jedoch verfügt das Social Web über seine eigenen Regeln und die Protagonisten und Multiplikatoren wie beispielsweise Blogger möchten nicht, wie in der traditionellen PR-Arbeit oftmals üblich, ungefragt mit zudem noch nicht einmal zielgruppengerechten Pressemitteilungen versorgt werden.
Ein solches Vorgehen führt in den meisten Fällen zu keinem nennenswerten Effekt oder oftmals gar zu gegenteiligen Reaktionen. „In five years, I have never written about a company because of a nontarged broadcast press release that somebody sent to me. 25.000 press releases have been sent to me, resulting in no story“ weiß der Buchautor, Blogger und Experte für Online-PR David Meerman Scott zu berichten (Meerman Scott 2007: 9).

Gerade Blogger reagieren auf standardisierten und durchschaubaren PR-Aktionen äußerst sensibel. Sie möchten das Gefühl haben Informationen zu finden oder über ihre eigenen Sozialen Netzwerke und Soziale Medien, empfohlen zu bekommen und sind dann gerne auch bereit die Informationen ihrerseits aufzugreifen und über ihr eigenes Netzwerk wieder weiterzuverbreiten. „I don`t wait for press releases to come to me. Rather, I go looking for interesting topics, products, people, and companies. And when I do feel ready to write a story, I might try out a concept on my blog“ (Meerman Scott 2007: 9).

Aus diesem Grund ist es für alle Institutionen und Organisationen, die Social Media im Rahmen von Public Relations und strategischer Kommunikation einsetzen möchten, wichtig, (PR-)Informationen möglichst über persönliche Netzwerke zu streuen und kanalgetreu zu platzieren und nicht mit den traditionellen und herkömmlichen Methoden zu agieren. Am besten funktioniert dies über eigene glaubwürdige Präsenzen in den Social Media, über welche ein Soziales Netzwerk aufgebaut und Inhalte und Informationen weitergetragen werden. Eine entscheidende Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch so genannte „Social Media News Releases“.

`Die! Press release! Die! Die! Die`

„I‘ve been telling the PR industry for some time now that things cannot go along as they are […] business as usual while mainstream media goes to hell in a hand basket“ (Foremski 2006).

Im Internet reicht oftmals nicht mehr die einfache Pressemeldung, die an eine Online-Redaktion verschickt wird. Vielmehr sind „intelligente Kommunikationskonzepte […] gefragt, die den Redaktionen Zeit abnehmen und sie in ihren Zielsetzungen unterstützen“ (Schweins 2008:197). Bedenkt man, dass Rezipienten wie auch Journalisten vermehrt in Sozialen Medien und Sozialen Netzwerken aktiv sind, scheint es nur logisch, dass auch PR-Agenturen sich in diesem Social Web positionierten. Berücksichtigt man die zunehmende Wichtigkeit im Nutzungsverhalten von Sozialen Medien und Sozialen Netzwerken, so „rücken bei PR-Agenturen wie Werbetreibenden häufig Portale in den Medienmix ihrer Kommunikationsstrategie, die gar keinen redaktionellen Hintergrund besitzen“ (Schweins 2008: 197).

In seinem legendären Blog-Artikel „Die! Press release! Die! Die! Die!“ hat der ehemalige Financial Times-Journalist Tom Foremski 2006 das Agieren der Public Relation hart angegriffen und eine angeregte Diskussion darüber angestoßen, ob die traditionelle Pressemitteilung noch zeitgemäß ist (vgl. hierzu Foremski 2006). Forenski wies darauf hin, dass es als überholt anzusehen sei, standardisierte Pressemitteilungen über entsprechende Pressemitteilungsdienste an eine möglichst große Masse von Journalisten und Multiplikatoren wie Blogger zu versenden und regte stattdessen eine differenziertere und zielgruppenspezifische Vorgehensweise an sowie die Presseinformationen in einzelne Elemente aufzuteilen.

„Deconstruct the press release into special sections and tag the information so that as a publisher, I can pre-assemble some of the news story and make the information useful“ (Foremski 2006).

Die traditionellen Pressemitteilungen seien Foremski zufolge auf die neuen Kommunikationsformen, die sich schon 2006 durch die aufkommenden Sozialen Medien ankündigten, überholt.
Mit seiner Kritik an der herkömmlichen PR-Arbeit im Internet traf Tom Foremski seinerzeit einen wunden Punkt. Im Rückblick muss der zitierte Blog-Artikel sogar als wegweisend angesehen werden, führte er doch insbesondere in den USA zu vielen Anschlussdiskussionen auf Fachebene und einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema, in dessen Folge auch die Idee des so genannten „Social Media News Release“ entstanden ist.

Das Social Media News Release

Bei einem Social Media News Release (oftmals auch nur „Social Media Release“ oder „Social Media Marketing Release“) handelt es sich im Grunde genommen um eine Form einer traditionellen Pressemitteilung, die unter Web 2.0-Gesichtspunkten für Social Media optimiert wurde, über interaktive Elemente verfügt und über Soziale Netzwerke verbreitet wird (vgl. Hay 2009: 271). Das Bereitstellen unterschiedlicher multimedialer Inhalte sorgt zudem dafür, dass Multiplikatoren aus den traditionellen Medien, von reichweitenstarken Online-Portalen aber auch Multiplikatoren aus den Sozialen Medien umfangreiches Material in entsprechender Aufbereitung für den jeweiligen Einsatz zur Verfügung gestellt bekommen, egal ob in Text- Video, Bild- oder gar Audioform.
Über die gleichzeitige Integration von interaktiven Elementen soll zudem möglichst eine breite Diskussion angestoßen werden, die zu einer signifikanten und nachhaltigen Steigerung der Sichtbarkeit führen soll. Je weitläufiger sich die Informationen dabei im Social Web verbreiten, desto größer ist letztlich auch die hieraus generierte Aufmerksamkeit für den jeweiligen Sachverhalt.
Dabei ist es fundamental wichtig, dass die Public Relations die Regeln und Gepflogenheiten der Social Media versteht und sich mit ihrer Arbeit und ihren Instrumenten möglichst eng daran an- bzw. eingliedert. Mit der klassischen Presse- und PR-Arbeit, wie sie sich über die letzten Jahrzehnte etabliert hat, hat dies in der Regel nicht mehr eins-zu-eins etwas zu tun. Aus diesem Grund kann ein Social Media News Release als Ergänzung der herkömmlichen Pressemitteilung gesehen werden, die allerdings für eine Verbreitung in den unterschiedlichen Online-Medien sowie insbesondere in den Social Media ausgelegt ist.

Das Template für ein Social Media News Release

Der amerikanische Journalist, PR-Experte und Blogger Todd Defren hatte im Anschluss an die durch den von Tom Foremski veröffentlichten Artikel ausgelösten Diskussionen ein Template für ein Social Media News Release entworfen, das sich anschließend als Standard etablieren konnte und auch heute noch als Vorlage verwendet wird. Demzufolge verfügt ein Social Media News Release in der Regel über folgende Elemente (vgl. hierzu auch Lommatzsch 2008: 11 ff. sowie Defren 2006):
1. Eine permanente URL, die als Referenzierungsquelle dienen kann und via Trackbacks mögliche Reaktionen abbildet;
2. Kontaktinformationen zu allgemeinen und speziellen Ansprechpartnern;
3. Überschrift und Unterzeile, die das Thema des Inhaltes hervorheben und Aufmerksamkeit generieren;
4. Ein Teaser fasst die Kernaussagen und wesentlichen Inhalte komprimiert zusammen;
5. „Share-Buttons“ sorgen dafür, dass die betreffende Seite mit den Inhalten schnell und einfach über diverse Soziale Netzwerke weiterverbreitet werden kann;
6. Ein Link zu Social Bookmarking-Diensten sorgt ebenfalls für eine Weiterverbreitung und Archivierung der Inhalte. Darüberhinaus können auf spezifischen Social Bookmarking-Seiten weitere Informationen zum Thema gesammelt und zugänglich gemacht werden;
7. Zitate sind wie auch in einer traditionellen Pressemitteilung von Bedeutung;
8. Relevante Links führen zu weiteren Informationen;
9. Hintergrundinformationen zum Sachverhalt oder der Organisation bieten zusätzliche Informationen, die die Einordnung des Absenders erleichtern;
10. Ein Verweis auf bestimmte RSS-Feed kann zu einer dauerhaften Bindung zwischen Absender und Multiplikator führen;
11. Tags heben besonders wichtige Schlagworte des Social Media News Release hervor und erhöhen die Auffindbarkeit beispielsweise durch Suchmaschinen;
12. Integrierte Multimedia-Inhalte wie Bilder, Grafiken, Videos, Podcasts oder Präsentationen sorgen dafür, dass die Informationen für unterschiedlichste Medien zur Verfügung stehen und Multiplikatoren ihre Artikel durch etwaige Inhalte anschaulich untermalen können. Wichtig ist dabei, dass die Inhalte unter einer Lizenz veröffentlicht werden, (beispielsweise über entsprechende Creative Commons Lizenzen), die den Nutzern verdeutlichen, dass sie einfach übernommen werden können. Liegen die multimedialen Inhalte auf entsprechenden Social Media-Plattformen wie beispielsweise Flickr (Bilder), Youtube (Videos) oder Slideshare (Präsentationen) vor, können sie zudem schnell und einfach auf externen Webseiten eingebunden und statistisch ausgewertet werden;
13. Moderierte Kommentare sind zwar (zu Recht) äußerst umstritten, können allerdings den direkten Dialog mit den Anspruchsgruppen fördern;
14. Die Möglichkeit Trackbacks zum jeweiligen Social Media Release zu setzen sorgen für einen Gesamtüberblick über die ausgelöste Berichterstattung;

 Das Template für ein Social Media News Release von Tom Foremski
Das Template für ein Social Media News Release von Tom Foremski

Quellen:
* Defren, Todd (2006): Social Media News Release Template.
* Lommatzsch, Timo (2008 ): Der Social Media Release. Eine neue Form der Online Veröffentlichung und Verbreitung von Nachrichten und Informationen. Unveröffentlichte Bachelor-Arbeit als eBook.
* Foremski, Tom (2006): Die! Press release! Die! Die! Die!.
* Hay, Deltina (2009): A Survival Guide to Social Media and Web 2.0 Optimization. Strategies, Tactics, and Tools for Succeeding in the Social Web. Dalton Publishing, Austin.
* Meerman Scott, David (2007): „The New Rules of Marketing & PR“. How to Use News Releases, Blogs, Podcasting, Viral Marketing and Online Media to Reach Buyers Directly. John Wiley & Sons, New Jersey.
* Scoble, Robert (2007) Foreword. In: Meerman Scott, David: „The New Rules of Marketing & PR“. How to Use News Releases, Blogs, Podcasting, Viral Marketing and Online Media to Reach Buyers Directly. John Wiley & Sons, New Jersey.
* Schweins, Roland (2008): Kommunikation im virtuellen Raum. Internet-PR. In: Forthmann, Jörg (Hrsg.): Praxishandbuch Public Relations. Wiley-VCH Verlag, Weinheim.

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