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Rückschlag im Hakenkreuz-Prozess – Kreatives Urteil und eine verbissene Staatsanwaltschaft

Mai 2006. Ganz Deutschland diskutiert über das Thema Rechtsextremismus und gelobt und heuchelt Besserung, was die Arbeit gegen Rassismus und gegen Rechtsextremismus betrifft.

Ganz Deutschland? …Nein! Im Süden der Republik kämpft die Staatsanwaltschaft verbissen weiter gegen alle, die ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen möchten und sich somit auch für Toleranz, die Zivilgesellschaft und die Demokratie stark machen.

Herzlich willkommen in Stuttgart, der Stadt, in der die Staatsanwaltschaft Jagd auf alle Nazi-Gegner zu machen scheint. Willkommen im Jahre 61 nach dem schrecklichsten aller Kriege. Willkommen in Deutschland! Zu Gast bei „Freunden“!?

Staatsanwaltschaft versus Nix Gut

Heute erreichte mich eine auf den 22.05.2006 datierte Pressemeldung des Nix Gut Versandes aus BadenWürttemberg. Am 12. Mai berichtete ich von dem Versand aus Lauterbach, der in seinem Sortiment auch etliche T-Shirts, Buttons und andere Produkte hat, die als Zeichen gegen Rechts ein durchgestrichenes Hakenkreuz abgebildet haben.

Damals schreib ich noch von einem „Teilerfolg im Hakenkreuzprozess“, weil das Stuttgarter Landgericht feststellte, dass es sich bei den Abbildungen nicht um verfassungswidrige Symbole handle. Der Nix Gut Versand wurde freigesprochen!

Allerdings berichtete ich damals auch davon, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ihren Jagdinstinkt nicht so ohne weiteres abschalten kann und umgehend eine Beschwerde gegen das Urteil einlegte, welches am Oberlandesgericht in Stuttgart verhandelt werden sollte.

Neues aus Baden-Württemberg

Ja und heute dann erreichte mich die besagte Pressemeldung vom Nix Gut Versand. Und die Neuigkeiten sind wirklich alles andere als Gut!

Das Oberlandgericht Stuttgart hebt den Beschluss vom Landgericht Stuttgart vom 24.4.2006 auf und gibt somit der Beschwerde der Stuttgarter Staatsanwaltschaft statt.

Der Meldung zufolge teile das Oberlandesgericht Stuttgart die Auffassung der Staatsanwaltschaft und lässt deren Klage vor dem Landgericht in vollem Umfang zu.Das heißt, dass nun über fast 100 verschiedene Motive erneut verhandelt werden wird.

Eine Urteilsbegründung, die es in sich hat

Als Begründung für das Urteil nannte das Oberlandesgericht das Argument, dass es weder um Aufklärung über den Nationalsozialismus geht noch um Meinungsäußerung sondern lediglich um die Absicht einen Gewinn zu erzielen.

Wow, diese Begründung nenne ich innovativ, kreativ und einfallsreich! Demnach wäre das Tragen der Symbole erlaubt. Dem im Grundgesetzt festgeschriebenen Menschenrecht der Meinungsfreiheit zufolge darf ich also ein durchgestrichenes Hakenkreuz tragen, um damit meine Meinung gegen Rechtsextremismus und gegen Rassismus kund zu tun. Und ich darf als Anlass dazu nehmen, um über den Nationalsozialismus aufzuklären.

Aber,… aber der Verkauf solcher Symbole ist verboten, weil es hier nur ums liebe Geld gehe. Aha. Wie gesagt, diese Begründung dürfte an Einfallsreichtum und Kreativität kaum zu überbieten sein.

Stuttgart säubert die Stadt

Wie bitte schön, soll ich denn meine Meinung kundtun, wenn die Buttons und Aufnäher nicht hergestellt geschweige denn verkauft werden dürfen? Das ist gewieft, getreu dem Motto „biege das Recht solange, bis es passt“!

In der Pressemeldung wird zu Recht die Frage gestellt, wieso die Staatsgewalt sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen, die gegen Rechts sind zu verfolgen und im Gegenzug die braune Seuche zu schützen:

Kann Antifaschismus in Deutschland wirklich wieder strafbar sein?
Kann es wirklich sein, das rechtsradikale unter Polizeischutz ihre Parolen brüllen dürfen, während Gegendemonstranten angezeigt und bestraft werden, weil sie es nicht hinnehmen wollen und Ihre Meinung auch durch eindeutige Symbole zeigen.

Ein durchgestrichenes oder ein zerschlagenes Hakenkreuz fördert den Nationalsozialismus? Ist es nicht eher so, dass ein solches Symbol ein Zeichen für eine gesunde Zivilgesellschaft und bürgerliches Engagement ist?!

Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit?!

Ich muss mich gerade an mein Medienrecht-Seminar aus der vergangenen Woche erinnern. Das Grundgesetz als Abwehrrecht der Bürger gegenüber dem Staat. Unser Dozent meinte, sobald der Staat versuche in den Schutzbereich eines Grundrechtes einzugreifen, sollten wir das Grundgesetz aus der Tasche ziehen und es schützend vor uns halten. „Weiche von uns, böser Staat“. Aber selbst das scheint heute nicht mehr vor Verfolgung und Willkür zu schützen!

Was möchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die sich auch Staatsschützer nennt, mit dieser Jagd gegen Antifaschisten eigentlich bewirken? Dass sich kein Mensch in Deutschland mehr traut, seine Stimme gegen Faschismus und gegen Rechtsextremismus zu erheben?

Sollte nicht jeder in Deutschland einen solchen Button tragen und sich eindeutig dazu bekennen: Nein wir wollen diesen braunen Dreck nie mehr.

Auf der Suche nach dem Sinn

Welches Ziel haben die Stuttgarter vor Augen, wenn sie Deutschland von den Symbolen gegen Rechts befreien wollen? Was ist die Intention, was der Sinn einer solchen Jagd gegen mutige und demokratische Bürgerinnen und Bürger?

Wenn durchgestrichene Hakenkreuze in Deutschland nicht als freie Meinungsäußerung erlaubt sind, sind wir dann dem 4. Reich näher als wir glauben?

Dass die deutsche Justiz das Verbot damit begründet, dass es dem Nix Gut Versand nur um Profit und Geldgier gehe, ist mehr als suspekt!

Wir sind betroffen, das uns ein Gericht in Deutschland vorwirft, dieses Gedankengut nur aus Profit zu vertreten, denn wir tun dies aus voller Überzeugung.

Der unmündige Bürger?!

Man scheint sich in Stuttgart eigene Gesetze zu schaffen. Eigene Gesetze, mit der man sich eine eigene kleine Welt zusammen zimmern kann. Eine Welt ohne Nazi-Gegner, eine Welt ohne zivilgesellschaftliches Engagement. Eine Welt ohne Toleranz.

Ist es das, was die Stuttgarter Staatsanwaltschaft will? Ist es das, was wir wollen? Ich glaube kaum. Und eben deswegen hoffe ich, dass die Staatsschützer in Baden-Württemberg möglichst bald wieder zur Besinnung zurück finden.

Und ich hoffe, und ja, ich erwarte, dass sich nun eine breite Masse der deutschen Bevölkerung veranlasst sieht, sich diese Buttons und Banner zu kaufen oder selber zu basteln. Wir haben die Pflicht einen solchen Einschnitt in unsere Rechte nicht ohne weiteres hinzunehmen.

Wir sind das Volk – Schützt unsere Rechte!

Doch ich ahne es, die meisten Menschen wird es nicht interessieren. Viele werden es ruhig und stillschweigend hinnehmen. Aus Angst? Aus Mutlosigkeit? Aus Verdrossenheit? Aus Gleichgültigkeit?

Und genau das ist die Folge, die die Stuttgarter Staatsanwaltschaft mit ihrer Arbeit gegen gegen Rechts erreicht. Unsicherheit und das Erstillen von jeglichem zivilgesellschaftlichem Engagement.

„Die Welt zu Gast bei Freunden“? Was glaubt ihr würde die Welt denken, wenn sie in einem Land zu Gast ist, in dem durchgestrichene Hakenkreuze verboten sind und Nazi-Gegner verfolgt werden?

bluejax
, den 23. Mai 2006

Quellen und Links:
http://razzia.nix-gut.de/?module=blog|show|&id=76
http://www.nix-gut.de/
http://www.bluejax.net/2006/05/12/auf-der-jagd-teilerfolg
-im-hakenkreuz-prozess-%e2%80%93-staatsanwaltschaft-
weiter-gegen-nazi-gegner/
http://razzia.nix-gut.de/?module=home
http://razzia.nix-gut.de/files/feedback/Pressemitteilung%
20OLG%20Stgt%2022-5-06.pdf