Es war irgendwann zu Beginn dieses Jahrtausends (muss sein!), als ich zum ersten Mal die große weite Welt der Blogs für mich entdeckte. Ich fand es spannend, weil ich mich damals schon sehr intensiv für Kommunikation und die vielen Möglichkeiten, die das Internet mit sich brachten, interessierte. Folgerichtig studiere ich ab 2004 schließlich auch Kommunikationswissenschaft Angewandte Medienwissenschaft an der TU Ilmenau. Ich lernte schnell weitere soziale Kanäle kennen und ihren praktischen Einsatz im Rahmen von Kommunikationsstrategien anzuwenden. Twitter, studiVZ, Facebook, sPI wurden zu täglichen Begleitern meines Alltags, meine Liebe zur (digitalen) Kommunikation zu einem festen Bestandteil meines Lebens.
Folgerichtig landete ich noch während meines Studium bei einer großen Digitalagentur in Berlin, wo ich zuerst als Projektmanager, später als Konzepter und Informationsarchitekt und schlussendlich als Berater für Social Media und digitale Kommunikation meinen Unterhalt verdiente – aber auch meine Diplomarbeit zum Thema “Sozialmediale Intereffikation – Über das Zusammenspiel von PR und Journalismus in und über Social Media” fertigstellte. Ich kann mich noch ziemlich gut an Präsentationen erinnern, in denen ich zu Beginn dieser Zeit die Nutzung und Einsatzmöglichkeiten von Twitter vorstellte. Und irgendwann nannte man all diese Dinge plötzlich “Social Media” und wir stellten im Nachhinein fest, dass aus einer großen Imagekampagne, die ich insgesamt drei Jahre lang in den verschiedensten Rollen betreute, still und heimlich eine der ersten Social Media Kampagnen Deutschlands geworden war.
Insofern abermals folgerichtig, dass ich nach dreieinhalb intensiven Jahren meinen Arbeitgeber wechselte und dort landete, wo auch andere bereits frühzeitig ähnliche Erfahrungen machten: Bei der nach eigenen Angaben ersten Social Media Agentur Deutschlands. Allerdings – und nun kommen wir langsam ans Ende meiner Einleitung – in der Rolle des Digital-Strategen, die sich weitere anderthalb Jahre später schließlich in jene zum “Berater für digitale Transformation” wandelte – parallel übrigens zur Gesamtpositionierung der Agentur, die inzwischen als “Agentur für digitale Transformation” firmiert.
Was will ich mit diesem Schlenker zu meinem eigenen Werdegang eigentlich sagen? Nun denn, ihr werdet es schon alsbald merken!
Von der Industrie- zur Kommunikationsgesellschaft
Industriegesellschaft. Es war für die Evolution unserer Gesellschaft eine unheimlich wichtige Zeit, die den Grundpfeiler unseres heutigen Lebens und einen von technischen und industriellen Revolutionen geprägten Alltag darstellt. Aber, ohne nun näher darauf einzugehen: Die Industrialisierung der globalen Gesellschaft ist weitestgehend abgeschlossen (eine gewagte Aussage, ich weiß). Die Überreste jener Epoche eignen sich heute allerdings noch als gute und populäre Fotomotive.
Heute leben wir in einer (Informations- und) Kommunikationsgesellschaft. Aber Kommunikation verändert sich. Gerne krame ich immer wieder die Bilder der früheren Wiener Kaffeehäuser hervor, die seinerzeit einmal einen jener Orte dargestellt haben, an denen sich die Menschen trafen, um sich über den neuesten Klatsch und Tratsch zu informieren, Neuigkeiten und Entwicklungen austauschten und wo Meinungen gebildet wurden. Diese Kaffeehäuser, die gibt es heute immer noch. Und auch heute noch treffen sich dort junge und alte Menschen, um zu kommunizieren – womöglich und unter anderem sogar mit- und untereinander. Allerdings sieht das heute nicht mehr so, sondern so aus!
Kommunikation verändert sich. Seit jeher! Wer von euch schreibt denn heute noch regelmäßig Briefe an Freunde und Familienmitglieder? Wer von euch, euren Kindern, Neffen und Nichten hat oder wünscht sich heute noch einen globigen, schweren PC? Oder einen Festnetzanschluss? Kommunikation verändert sich. Kommunikation wird immer schneller; fragmentierter; personalisierter; individualisierter; immer digitaler. Mobiler.
Kommunikation wird fragmentiert und individualisiert
Nicht ohne ein Schmunzeln auf meinen Lippen erinnere ich mich nur ein Jahr zurück, als mich meine Mutter noch anrief und darum bat, ihr bei der “richtigen Bedienung” von Google behilflich zu sein. Dann zu Weihnachten haben wir ihr ein Smartphone geschenkt. Seither benötigt sie nicht nur keine Hilfe mehr, um sich auf gängigen Suchmaschinenseiten zurecht zu finden, sondern die Kommunikation zwischen uns hat sich komplett gewandelt. Es ist noch gar nicht mal so lange her, da haben wir ausschließlich über Telefon miteinander kommuniziert. Heute senden wir uns via Facebook Links zu interessanten Artikeln oder Fotos und kurze Textschnippsel via WhatsApp; wir tauschen unsere Standorte miteinander aus und kommunizieren multimedial. Je nach Anlass. Je nachdem, welche Information wir gerade übermitteln wollen. Je nach Relevanz. Je nach Ort. Wie gesagt, Kommunikation verändert sich.
Aber auch wir verändern uns. Und im Grunde genommen verändert sich zeitgleich die gesamte Welt um uns herum. Dafür sind natürlich insbesondere technische und wissenschaftliche Innovationen verantwortlich. Aber auch jene neuen Bedarfe und Bedürfnisse, die dadurch erst geschaffen werden und die wir auf andere Lebensbereiche übertragen. Die Kommunikation war einer der ersten Lebensbereiche von uns, der von dieser Veränderung betroffen war und diese Bedürfnisse auch mit entscheidend geprägt hat. Heraus kam das, was wir vor einiger Zeit noch unter dem Begriff “Social Media” am offenen Herzen erforscht und mitentwickelt haben. Nun geht es weiter. Die Mobilität schlägt bereits eine ähnliche Entwicklungsrichtung ein. Auch hier finden wir neue Konzepte, die die Bedürfnisse nach Fragmentierung, Individualisierung, Personalisierung, Digitalisierung oder Mobilität versuchen zu befriedigen. In vielen weiteren Bereichen finden ähnliche Prozesse statt.
Und auch das alles wird wieder auf uns als Menschen zurückkommen und uns nach und nach weiter verändern. Ich bin ehrlich, ich finde das Bild mit der ausgelagerten Festplatte schön. Warum muss ich mir alles merken, wenn ich mir auch einfach merken kann, wo ich die entsprechenden Antworten finde?! Wieso muss ich etwas aufwändig erlernen, wenn ich Tools nutzen kann, die mir das abnehmen und mir so Ressourcen schaffen, um neue Dinge zu entdecken oder zu entwickeln?!
Manche mögen Angst davor haben. Manche reden davon, dass wir als Menschen uns leichtfertig zurück entwickeln. Ich bin da allerdings anderer Meinung. Ich denke, was wir hier beobachten, das ist nichts anderes als das, was wir seit Millionen von Jahren schon beobachten können: Evolution.
Es mag lapidar und ausgelutscht klingen, aber wären die Dinosaurier agiler und wandlungsfähiger gewesen, womöglich wären sie nicht ausgestorben. Hätte ihre Spezies seinerzeit den Mut und die Zeit investiert, sich weiterzuentwickeln, sich vielleicht sogar neu zu erfinden, vielleicht wären sie fähig gewesen, sich nachhaltig an die neuen Gegebenheiten einer sich im Wandel befindenden Welt anzupassen?!
Auf den Spuren der Kolibris
Andere sind schlauer gewesen. Kolibris zum Beispiel. Über viele Millionen von Jahren haben sie Zeit darin investiert, sich immer wieder neuen Gegebenheiten und Lebensräumen anzupassen. Es gibt heute Kolibris, die einen langen gebogenen Schnabel haben, mit der sie als einzige in der Lage sind, den Nektar aus vielen Blüten zu saugen, an die andere Tiere gar nicht herankommen. Außerdem haben sie mit ihren kleinen Flügeln ausgeklügelte Instrumente entwickelt, die sie nicht nur die ganze Zeit in der Luft in Bewegung halten, sondern auch dies wieder zu ihrem Vorteil auszunutzen wissen. Tomte singen in ihrem Song „Ich wander„: „Du schlägst dich, durch dein Leben, wie ein Kolibri fliegt“. Diese Zeile hat für mich in den vergangenen Jahren nochmal eine ganz neue Bedeutung erhalten. Geduldig sein und dennoch ständig in Bewegung bleiben. Auf Vergangenem aufbauen und sich dennoch an neue Gegebenheiten anpassen. Aufsaugen und sich kontinuierlich weiterentwickeln. Wahrnehmen und dennoch hinterfragen. Vielleicht klein sein, dafür aber agil. Man könnte in diesem Zusammenhang bei den Kolibris auch von Return on Investment (ROI) sprechen: Ihr Invest war die fortlaufende Veränderung. Ihr Return das Überleben. Vielleicht können wir alle von den Kolibris noch etwas lernen.
Kolibri ROI
Ich möchte jetzt nicht soweit gehen zu behaupten, dass alle, die gegenüber den technischen, digitalen und strukturellen Veränderungen skeptisch eingestellt sind und alles in Frage stellen, aussterben werden. Das wäre anmaßend und dumm. Ganz im Gegenteil, auch in Zukunft wird es so sein, dass unser aller Überleben auf jenem Fundament aufbaut, was wir uns in der Vergangenheit erschaffen haben. Und dennoch wird es die Anpassungsfähigkeit an einer sich in einem heute insbesondere durch die Digitalisierung ausgelösten Wandel befindenden Welt sein, die uns voranbringt. Wir müssen Dinge und Konzepte infragestellen und weiterentwickeln, sie durchaus auch digitalisieren; oder mobilisieren; vielleicht personalisieren; oder individualisieren; womöglich fragmentieren.
Gestern nannten wir es Social Media und sprachen über Kommunikation. Heute nennen wir es digitale Transformation und sprechen von (fast) allem. Und was morgen sein wird, das weiß ich nicht – und ich will es ehrlich gesagt heute auch noch gar nicht wissen.
Ja, wir leben in einer Informationsgesellschaft. Ja, wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft. Und ja, wir leben auch in einer digitalen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, deren kollektives Wesen durch den Zusammenschluss von Individuen gebildet wird. Social Media ist eine Ausprägung, Kommunikation ihre Essenz, die Transformation ihr Treiber. Es geht nicht um individuelle Anpassung, es geht um die gemeinsame kollektive Weiterentwicklung. Neues erforschen und entdecken, Bekanntes unter Berücksichtigung neuer Gegebenheiten transformieren.
Vielleicht geht es auch ein bisschen darum, Held zu sein als Individuum im Kollektiv und mit Enthusiasmus in ein ungewisses Abenteuer aufbrechen. Es muss dabei nicht immer nur gerade aus gehen und sicherlich nicht ohne Hürden, aber wir werden nur vorankommen und entdecken und erleben, wenn wir uns alle zusammen Fortbewegen und nicht stehen bleiben. Nur dann haben wir die Möglichkeit, die Welt zu verändern und dabei persönliche Erfüllung zu finden. Für die Welt und für jeden Einzelnen von uns. Die Kommunikation war dabei nur der Anfang. Die Fortsetzung dieser Entwicklung hat längst schon begonnen.