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Y – Eine Generation auf Abwegen?

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit eine Power-Präsentation für ein mir freigestelltes Thema zu erstellen. Mir blieben dafür drei Stunden Zeit und ich entschied mich für ein Thema, das zumindest in meinem persönlichen Umfeld dieses Jahr Hochkonjunktur hatte. Und auch wenn ich sicherlich nicht ganz zufrieden mit der Präsentation bin und sie auch längst nicht alles aufführt und behandelt, was zu diesem Thema in meinem Kopf so alles herumschwirrt, so bin ich doch der Meinung, dass die damit verknüpften Gedanken zu schade sind, um sie im Papierkorb oder in irgendeiner Schublade verschwinden zu lassen. Deswegen möchte ich euch die Präsentation hier – um die transkribierte Tonspur ergänzt – bereitstellen. Auf dass ihr sie mir gerne in der Luft zerreisst… 😉

2014 war für mich ein weiteres Facebook-Jahr.

Ich habe mal wieder unheimlich viel über meine Freunde gelernt. Dass sie geheiratet haben. Dass sie Kinder bekommen haben. Oder dass sie sich irgendwelche tollen neuen Produkte gekauft haben.

Aber was glaubt ihr, war das eine prägende Thema in meinem Freundeskreis 2014?

Es war das Thema: Auszeit. Sabbatical. Es gab wirklich viele, die ihren Job auf die Seite gelegt und sich für einige Monate sich selbst gewidmet haben. Einige, die ihren Job komplett gekündigt, sich den Rucksack auf den Rücken geschnürt haben und durch die Welt gereist sind. Und auch manche, die ihr ganzes Hab und Gut verkauft und ihr komplettes Leben hier aufgegeben haben, um in einem fremden Land ganz neu zu starten.

Was mich seit einiger Zeit umtreibt ist diese eine zentrale Frage: „Warum???“ Und eben genau damit möchte ich mich in den kommenden Minuten etwas näher auseinandersetzen. Auseinandersetzen ohne damit zu rechnen, tatsächlich die eine Antwort zu finden. Auseinandersetzen vielmehr, um einfach nur darüber nachzudenken. Und im besten Falle anschließend darüber zu diskutieren. Und auch Auseinandersetzen, um einfach nur eine nette kleine Geschichte zu erzählen.

„Y – Eine Generation auf Abwegen?“

Zeitreise.

Ich habe letzte Nacht etwas im Familienalbum geblättert und bin dabei auf einen interessanten Mann gestoßen.

Das ist mein Opa Xaver*. Er wurde 1921 geboren und ist 1993 im Alter von 72 Jahren gestorben.

Mein Opa war nicht nur ein einfacher Mann, sondern er führte in meinem Alter schon ein sehr erwachsenes Leben:
– er heiratete Anfang 20 meine spätere Oma Henriette*, mit der er früh drei Kinder bekommen sollte
– er lebte in einem kleinen 200 Seelen Ort irgendwo im Nirgendwo in der Nähe von Trier
– und er hatte einige Felder, einen alten Traktor und ganz viele Schafe.

Das Leben meines Opas verlief fast durchgehend in vorgegebenen Bahnen.

Wie mein Opa sein Leben zu gestalten hatte, wusste er von seinen Schwiegereltern, mit denen er unter einem Dach lebte; und von den Menschen im Ort, die ihn und seine Schritte genau beobachteten; ganz besonders aber wusste er das auch von der Kirche, die eine ganz genaue Vorstellung davon hatte, wie die Menschen damals zu leben haben sollten.

Mein Opa hatte einen Job fürs Leben.

Mein Opa Xaver* arbeitete im Wald. Als Holzfäller. So wie sein Leben war auch sein Job. Einfach. Fertig. Vorgegeben. Er wusste, was er zu tun hatte und es ändere sich über die Jahre nicht viel an seinem Handwerk. Die Lösungen auf neue Herausforderungen – so es sie denn überhaupt einmal geben musste – lernte er von den älteren Kollegen. Für meinen Opa war immer klar: Holzfäller ist er ein Leben lang.

Mein Opa war einzig auf der Suche nach dem Überleben.

Er stellte sich nicht viele (dieser) überflüssige(n) Fragen über sich und den Sinn in seinem Leben. Dazu hatte er einfach ganz andere Probleme. Denn die Felder, den Traktor und die Schafe, die hatte er nicht nur zum Spaß, sondern dafür, um in seiner Freizeit das Überleben seiner Familie sicherzustellen.

Zeitreise.

Das sind wir. Wir sind in den 1980er oder 1990er Jahren geboren.

Viele von uns leben in relativ komplizierten Lebensverhältnissen:
– Die meisten Anfang 30 noch kinderlos, viele gar Single. Meistens jedenfalls gefühlt sehr auf sich alleine gestellt.
– Viele von uns leben in Millionenmetropolen, die meisten von uns sogar viele Hundert Kilometer von ihren Familien entfernt.
– Und auch wir haben Besitz: iPhones, MacBooks und hin und wieder auch einen Spotify-Account.

Unser Leben verläuft weitgehend in sehr offenen Bahnen.

Nur die wenigsten von uns leben mit den eigenen oder gar den Schwiegereltern unter einem Dach; die meisten Menschen in unserer Stadt kennen uns nicht (oder wir interessieren sie einfach nicht); der Einfluss der Kirche auf unser Leben ist nur noch für einen marginalen Bruchteil von wirklicher Relevanz.

Wir arbeiten in Berufen, die kaum jemand kennt.

Jobs, die oftmals irgendwas mit Medien und fast immer auch irgendwas mit Internet zu tun haben. So, wie unser Leben ist auch unser Job: Kompliziert; einem ständigen Wandel unterworfen; und völlig Ergebnis offen. Was wir zu tun haben wissen wir in den meisten Fällen im Vornherein erstmal nicht. Und die Lösungen für die meisten Herausforderungen müssen wir uns selbst erst erarbeiten. Für viele von uns scheint heute schon klar: Beruflich verändern wir uns ein Leben lang.

Viele von uns sind auf der Suche.

Für uns geht es nicht ums Überleben, sondern um die sinnvolle Ausgestaltung. Viele von uns stellen sich deshalb unheimlich viele Fragen über den Sinn, darüber, wie wir unser Leben denn eigentlich gestalten wollen.

Generation Y nennen sie uns in den Medien. Y wie “Warum?” Und ganz unabhängig davon, dass es fraglich ist von „einer“ Generation zu sprechen, vielleicht haben sie auch nicht ganz unrecht, wenn sie sagen, dass wir jene junge Menschen sind, die sich nicht davor fürchten, Dinge, die als allgemein etabliert und akzeptiert gelten, in Frage zu stellen. Und die neue Wege zu suchen bereit sind. Wir tun dies aber nicht weil wir wie aufmüpfige Kinder in Frage stellen wollen, was uns unsere Eltern und Großeltern vorzugeben versuchen. Auch nicht, weil wir faul sind und schlichtweg keine Lust haben. Und nein, auch nicht, weil wir nicht wollen oder nicht können. Nein, wir stellen in Frage, weil uns oftmals die Sinnhaftigkeit des vormals vorgegebenen Tuns schlichtweg fehlt.

In Märchen gibt es ebenfalls jene Figuren; die in Frage stellen; die suchen. Jene, die einen inneren Drang verspüren und die auch bereit sind, ihr bekanntes Zuhause zu verlassen, um ins Unbekannte zu ziehen – um dann allerdings irgendwann einmal auch wieder zurückzukommen und die alte Heimat zu retten. In Märchen nennen wir jene Protagonisten: Helden!

Und ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass wir nicht nur einfache Helden sind, sondern sogar Superhelden. Denn für uns gibt es wohl keinen einfachen Weg mehr zurück – in die alte Heimat. Wir bleiben im Unbekannten und wir gestalten diese neue Welt ein Stückchen mit. Machen sie gerne zu unserem neuen Zuhause.

Nein, wir sind nicht nur die Generation Y – Y, wie „warum?“

Wir sind auch die Generation Y Not – „Warum eigentlich nicht?!“

Keine Generation auf Abwegen, sondern eine Generation auf neuen Wegen.

So denn: Lasst uns die Weltherrschaft an uns reißen. Und die Welt zu einem besseren Ort machen. Zu unserer Heimat.

Vielen Dank.

[* Namen von der Redaktion geändert]

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