Am letzten Samstag gastierte auf dem Anger, im Herzen Erfurts, ein Zirkus. Clowns ohne Haare und auf engstem Raum um ihr Spielmobil zusammengefercht trafen sich auf dem Anger-Platz um sich den Erfurtern zur Schau zustellen. Sie hatten bei schönstem Wetter dicke Schwarze Felle um ihre Körper und zeigten den Bürgern ihre Liebligsmusik. Und weil man keinen so großen Käfig zur Verfügung hatte mussten sich ganz viele dicke grüne Bodyguard um die Clowns im Kreis aufstellen, damit keiner der Zuschauer auf die Idee kommen konnte die Tiere (ähhh Clowns) in der Manege zu füttern.
Na ja, ganz so harmlos war es dann doch nicht. Am Samstag fand auf dem Erfurter Anger eine Kundgebung der NPD statt. Die Stadtverwaltung und auch die demokratischen Parteien hatten die Erfurter Bürger zum friedlichen Gegenprotest aufgerufen. Gekommen waren viele …Demokraten, die Nazis waren in der Minderheit. Es war ein recht amüsantes Bild was sich im Herzen Erfurts bot. Mitten auf dem Anger gab es ein kleines Fleckchen Erde, wo sich an die 50, 60 NPD-Anhänger versammelten. Sie hatten einen kleinen LKW dabei, von dem aus sie Musik und ab und wann dummes Zeug verbreiteten. Drumherum hatte die Polizei eine Art Wagenburg gebaut und sich (fett bepolstert und bewaffnet, hätten auch gut als Käfer in „Das große Krabbeln“ gepasst!) postiert um die Gegendemonstranten von den Rechten zu trennen. Ach ja, wie viele NPD-Symphatisanten waren es noch mal? Ja, höchstens 60. Demokraten waren es ungefähr 10 mal so viele (offizielle Angaben schwanken zwischen 250 und 300, was jedoch nicht annährend der Wahrheit entsprechen dürfte)!
Das ganze war von der NPD als Kundgebung organisiert worden. Na ja, unter Kundgebung versteht man ja eigentlich, dass jemand etwas zu sagen hat, Reden hält und so weiter. Mmmhhh man hat es sich ja vorher schon fast gedacht: die Nazis hatten den Menschen rein gar nix zu sagen. Sie standen einfach nur da, Fahnen schwänkend, und spielten ihre ach so intelligente Nazimucke ab. Ach ja, ab und zu hat sich mal jemand das Mikrofon geschnappt und absolute Scheiße erzählt. Und so was nennen die rechten dann also eine Kundgebung. Gut, spätestens jetzt wissen wir alle, dass sie absolut gar nix zu sagen haben und einfach nur ein bisschen provozieren wollen. Und das haben sie geschafft: ich meine welcher normale Mensch mit etwas Grips und Verstand in der Birne lässt sich nicht provozieren, wenn ein paar hohle Nüsse da stehen und rassistische Parolen brüllen und sich dabei noch ganz „cool“ vorkommen? Deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass irgendwann mal Eier und Tomaten flogen. Ach ja und weil ein, zwei Idioten aus dem äußeren Ring (den Guten) auch `ne Flasche warfen hatten die Polizisten nix bessres zu tun als mit Wasserwerfern in der Gegend rumzuspritzen. Ach stimmt ja, „die Polizei, dein Freund und Helfer“. Komisch hatten die irgendetwas falsch verstanden? Die kleinen dicken Männchen in grün hatten auf einmal das Bedürfnis die Hälfte der Demonstranten mit den Wasserwerfern in eine Ecke zu drängen und nass zu machen. Toll, super Sache. Im ernst: etwas überhastet schien der „Angriff“ dann doch zu sein. Aber sie hatten natürlich auch etwas gut zu machen: denn schließlich waren sie letzte Woche nicht in der Lage ein Nazikonzert in Pößneck aufzulösen, dann muss man dieses mal halt zeigen, zu was man im Stande ist. Ja, ja, is klar….!
Und was taten die Nazis? Sie standen weiter dumm in ihrer Manege und ließen über Lausprecher Nazi-Musik oder „Deuschland, Deutschland über alles“ laufen. Meine Fresse, was für `ne Kundgebung. Wenn ich mich dann demnächst mit meinem Ghettoblaster auf den Domplatz stelle, is das dann auch `ne Kundgebung?
Wie gesagt, aufgerufen zur Gegendemo haben u.a. der Oberbürgermeister von Erfurt und die demokratischen Parteien. Und wo waren die bei der Demo? Also ganz ehrlich, so richtig aufgefallen sind sie nicht. O.k., die SPD hatte ein Banner irgendwo rumhängen, die Junge Union hatte ein Transparent auf den Gehweg gelegt (wieso denn auf den Boden? Um gesehen zu werden, muss man es schon hochheben!) und ach ja, die Grünen hatten aus ihrem Büro ein selbstgemachtes Transparent raushängen. Einzig die PDS ist einem direkt aufgefallen, hatten sie doch einen Stand aufgebaut (leider aber ganz hinten in dem Eck, welches von den Wasserwerfern eingekerkert wurde). Auch die Laternen auf dem Anger waren mit Plakaten von der PDS („Nazis raus!“) gepflastert, hin und wieder auch mal eines der Grünen. Aber dafür, dass die Parteien die Bürger zum Gegenprotest gegen Rechts aufgerufen hatten, waren sie etwas zurückhaltend. Schade eigentlich, denn sie hätten an diesem Tag besonders bei den Jungen Menschen richtig Punkten können.
Etwas enttäuschend finde ich die Berichterstattung zum Samstag. Als ich abends auf den MDR in die Kurznachrichten reinschaute hieß es nur, dass die Demo nach kurzer Zeit von Krawallen überschattet wurde, die Polizei einschreiten musste und schließlich alles abgebrochen wurde. Na super, das war mal wieder ein Sieg für die Demokratie. Ehrlich, wieso muss in den Medien alles verzehrt und überspitzt dargestellt werden. Das ganze sieht jetzt so aus, als wollten ein paar Rechte ganz friedlich eine Kundgebung abhalten und dann kamen die bösen, bösen Linken und alles stürzte ins Chaos. Toll, und da wundert man sich wieso die Rechten oftmals unterschätzt werden. Genau, die brutalen Linken anprangern und die lieben Rechtsköppe in Schutz nehmen. Kein Wort von den Nazi-Parolen und den Nazi-Songs.
Zugegeben, ein paar wenige Bierflaschen sind wirklich geflogen, aber es war nicht so, dass alles aus dem Ruder gelaufen wäre. Außerdem waren anders als die Polizei meinte („250 Demonstranten, hauptsächlich aus der Linken Szene“, MDR Videotext) nicht nur Linksextremisten anwesend, sondern auch viele, sehr viele „normale“ Bürger. Besonders ergreifend waren ältere Menschen, die die Greueltaten der NS-Zeit einst selbst miterlebt hatten und bei so hohlen Glatzköpfen mit ihren Parolen sichtlich bestürzt reagierten. Nein, es waren wirklich Bürger aus allen Schichten, die sich zeigten und nicht nur eine „Szene“.
Die Thüringer Allgemeine meinte treffend: „Die Rechtsradikalen… sind, vielleicht, weniger auffällig geworden, auf jeden Fall aber besser organisiert.“ Und damit bring sie es auf den Punkt: Beim nächsten mal sollte alles etwas organisierter Ablaufen. Damit meine ich jetzt nicht den Ablauf an sich, sondern vielmehr die Mobilisierung und Aufklärung der Bürger. Mehr Plakate, mehr Präsenz und Aufklärer an Ständen. Es muss einfach allen Bürgern hier klar werden, dass die Rechten eine Gefahr für unsere Demokratie und den Frieden darstellen. Es sollte nicht nur von ein paar Hundert Gegendemonstranten die Rede sein, sondern von mehreren Tausend. Mindestens. Denn eines wollen wir ganz bestimmt nicht: Diese scheiß Nazis mit ihren rechten Parolen! Und dafür lasst uns kämpfen! Gemeinsam! ALLE!!!
In diesem Sinne,
bluejax
Erfurt, den 18. April 2005
Artikel zur Gegendemo:
http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.thueringen.volltext.php? kennung=on2taTHUThuNational38457&zuliefere
r=ta&kategorie=THU&rubrik=Thueringen®ion=
National&auftritt=TA&dbserver=1
Wie Erfurter die Demo sahen:
http://www.puffbohne.de/modules.php?name=Forums&file=
viewtopic&p=21958#21958
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Erstveröffentlichung bei www.myblog.de/bluejax: 18.4.05 19:52
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Von www.myblog.de/bluejax übernommene Kommentare:
1. nico / Website (15.5.05 20:01)
„auch wenn die braunen kurzhaarschweine ein leidiges thema sind… herrlich deine umschreibung wirklich!!!
LG nico“
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