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Definition und Charakterisierung von Social Media

+++ HINWEIS: In den Kommentaren findet eine spannende und hochinteressante Diskussion zum Thema statt!!! +++

Nachfolgenden wird der Versuch unternommen, Soziale Medien anhand einer Auswahl von sieben Kennzeichen und Merkmalen zu charakterisieren. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und steht Kritik und Ergänzungen offen!

Definition Social Media

Als Social Media sind dabei Kommunikationskanäle und Kommunikationsplattformen definiert, auf denen sich Privatpersonen und zunehmend auch Organisationen präsentieren, Soziale Netzwerke bilden, eigene Inhalte publizieren, Fremdinhalte weiterempfehlen sowie generell Informationen und Meinungen mit anderen austauschen. Entscheidend bei Social Media ist die Fokussierung auf von den Nutzern erstellte (User-generated Content) oder durch die Nutzer weiterverbreitete (Fremd-)Inhalte Soziale Medien sind zudem gekennzeichnet durch die Eigenschaft von Sozialen Netzwerken über welche diese Inhalte an ein disperses Publikum verbreitet werden und über welche Produzenten und Rezipienten miteinander interagieren können. In dieser Charakterisierung ähneln Social Media den traditionellen Medien, mit dem großen Unterschied, dass potentiell jeder Nutzer aktiv daran teilnehmen und eigene Inhalte publizieren kann. Social Media sind Bestandteil des Social Web und basieren als solches auf der WWW-Technologie.

(Arbeitsdefinition, Jan M. Rechlitz)

Kennzeichen von Social Media

(1) Eine verstärkte Entwicklung zur Personalisierung von Inhalten führt dazu, dass die Veröffentlichung von Content und Aktivitäten innerhalb von Sozialen Medien zunehmend durch eine verstärkte Bindung an einzelne und individuell erkennbare Personen gekennzeichnet ist. Darüber hinaus ist ein Trend zur Verwendung von Klarnamen statt Pseudonymen erkennbar.

(2) Social Media weisen eine Tendenz zu Individualisierung und Branding auf. Das heißt, Nutzer haben mal mehr (z.B. MySpace, wo sowohl gestalterisch, wie auch inhaltlich vielfältige Anpassungen vorgenommen werden können), mal weniger (z.B. flickr, wo lediglich Inhalte eingepflegt, aber keine gestalterische Anpassung vorgenommen werden können) die Möglichkeit ihre eigene Profilseite individuell zu gestalten und an die eigenen Vorstellungen anzupassen.

(3) Die Interaktion mit anderen Nutzern kann, neben der Veröffentlichung und Weiterverbreitung von Inhalten, als wesentliches Merkmal von Sozialen Medien verstanden werden. Egal ob bei Videoportalen wie Youtube, bei Sozialen Netzwerken wie Facebook, MySpace und studiVZ, bei Fotoplattformen wie Flickr, bei Microbloggingdiensten wie Twitter, bei Social Bookmarking-Diensten wie Deliciois oder bei Blogs, sämtlichen Diensten ist gemein, dass sie jeweils unterschiedlich ausgeprägte Möglichkeiten der Interaktion mit anderen Nutzern bereit stellen, eine direkte Ansprechbarkeit fördern und damit einen interaktiven Rückkanal zur Verfügung stellen.

(4) Über die Vernetzung und Weiterverbreitung von Inhalten, werden Informationen und Inhalte einem größeren Publikum empfohlen und zugänglich gemacht. Durch Verlinkungen mit anderen Seiten werden Inhalte dauerhaft miteinander verknüpft und es entstehen Netzwerke. Paradebeispiel hierfür ist sicherlich Facebook, wo nicht nur Inhalte von befreundeten Nutzern innerhalb von Facebook über die Funktion „Teilen“ übernommen und weiterverbreitet werden können, sondern auch Inhalte, die bei Twitter oder in Blogs veröffentlicht werden, automatisch über entsprechende Applikationen und via RSS in das Soziale Netzwerk eingespeist werden können. Darüber hinaus ist es möglich, Inhalte von beliebigen Webseiten außerhalb des Sozialen Netzwerkes durch so genannte „Share“(Teilen)- oder „Like“- (Gefällt mir) Buttons über Facebook-Connect ebenfalls innerhalb des eigenen Facebook-Netzwerkes bekannt zu machen. Ähnliche Funktionen weisen auch andere Soziale Medien auf, beispielsweise Tumblr (Reblog), Twitter (Retweet) sowie Flickr und Youtube (Embed-Codes).

(5) Auch die Funktion der Referenzierung von Inhalten spielt bei Sozialen Medien eine große Rolle. So werden Inhalte nicht nur übernommen und weiterverbreitet, sondern deuten dabei gleichzeitig auch auf die Ursprungsquelle hin. So verweisen etwa Inhalte die bei Facebook geteilt oder integriert wurden immer auf den Autor bzw. die Quelle und verlinken diese automatisch. Ähnliches gilt auch bei Twitter (Retweets), Blogs (Trackback-Links) oder Tumblr („Reblogged by“). Dienste werden damit plattformübergreifend immer stärker miteinander verknüpft, wodurch auf verschiedenen Kanälen aufeinander Bezug genommen wird und ein großes Soziales (Meta-)Netzwerk entsteht.

(6) Als weiteres Kennzeichen gilt die Dezentralisierung von Inhalten. Offene Programmierschnittstellen (API) sorgen dafür, dass unabhängige Programmierer die Möglichkeit haben, zusätzliche Funktionen für die Dienste zu entwickeln und diese so auch mit externen Webseiten und Programmen zu verknüpfen. Offene Programmierschnittstellen schaffen somit Anknüpfungspunkte für (eigene) Weiterentwicklungen. Als Paradebeispiel hierfür kann Twitter gesehen werden, dessen Erfolg auch mit darin begründet liegt, dass frühzeitig eine Vielzahl von Programmen, wie beispielsweise Desktop-Clients, entwickelt wurden, die Twitter einfacher und schneller nutzbar machten. Dezentrale Authentifizierungssysteme, wie beispielsweise Open ID, ermöglichen es zudem, sich mit einem zentralen Nutzerzugang auf beliebigen Webseiten, auf denen das jeweilige Authentifizierungssystem integriert wurde anzumelden, ohne sich extra neu registrieren zu müssen.

(7) Traditionelle Medien pflegen gemeinhin eine asynchrone Form der Kommunikation. D.h. Inhalte werden erstellt, aber gelangen erst mit Zeitverzögerung an das Publikum (Ausnahme: Live-Übertragungen im Rundfunk). Soziale Medien hingegen zeichnen sich durch eine Synchronität der Kommunikation aus, d.h. Inhalte können nahezu in Echtzeit unmittelbar nach der Erstellung vom Publikum rezipiert werden. Hierdurch findet eine Stärkung von Diskussionsmöglichkeiten und interpersonalem Austausch statt.

Kommentare

meckerossi
9. Juli 2010 at 18:04

Hi Jan. Guter Versuch 😉
Hier meine erste Kritik:

zur Arbeitsdefinition.: Welches soziales Medium wäre lediglich ein Kommunikationskanal? Und wie bilde ich dort soziale Netzwerke? Muss ich fremde Inhalte „weiterempfehlen“ oder kann ich sie auch „schlecht reden“? Sind nach dieser Definition die E-Mail (E-Maillisten z. B. yahoogroups) und das klassische Forum auch social media?

zu 1) Wenn ein Trend innerhalb des Phänomens kennzeichnend für das Phänomen sein soll, dann bedeutet es doch, dass das Phänomen zuvor gar nicht existiert hat, oder?

zu 6) Was hat die API mit Dezentralisierung von Inhalten zu tun? Versteh ich nicht.

zu 7) Würd ich ganz widersprechen, dass die Synchronität irgendwie kennzeichnend ist. Das Radio beispielsweise ist seit jeher sehr synchron. Die Sprecher sind meist immer live dabei. Die Musikstücke oder vorproduzierten Beiträge sind vergleichbar mit Bildern oder Videos in „social media“.

Mein Fazit: Ich würd sagen social media ist ein Marketingbegriff, der sich über kurz über lang überlebt haben wird. Die Kennzeichen, die du nennst, sind gut und richtig, sind aber für das gesamte WWW kennzeichnend und nicht nur für ein Phänomen innerhalb des WWW. Du sagst ja selbst, dass es social media gibt, wo es stärker und andere wo es schwächer ausgeprägt ist. So kann man das für das ganze WWW sagen. Von daher ist der Fokus auf Prozesse irgendwie sinnvoller als der Fokus auf Technologien.

meckerossi
9. Juli 2010 at 18:17

Ich will die Kritik zu 1) noch mal erläutern. Was ich sagen wollte: Ich finde es eigenartig einen Trend als Kennzeichen zu bewerten. Ein Trend bedeutet doch, dass sich was verändert – von X zu Y. Sowohl X als auch Y gehören in deinem Beispiel zu den social media. Bei X gibt es diesen Trend aber nicht. Damit ist er für X nicht kennzeichnend, obwohl es ja auch ein social medium ist.
Worauf ich hinaus will: Trend (dynamisch) und Kennzeichen (fix) sind etwas verschiedenes und müssten unter verschiedenen Überschriften aufgelistet werden: Es gibt Trends und Kennzeichen von social media.

PorNoKratie
9. Juli 2010 at 18:49

Yeah, Meckerossi, vielen Dank für dein Feedback 🙂

Jetzt weißt du auch, wieso das ganze nicht in meiner Diplomarbeit, sondern als offener Gedankenfetzen hier im Blog gelandet ist!

Zur Arbeitsdefinition: Ich habe ganz bewusst sowohl die Kommunikationskanäle, wie auch die Kommunikationsplattformen genannt. Aber du hast Recht, in diesem Zusammenhang sollte vielleicht noch geklärt sein, was denn eigentlich ein Kanal und was ein Medium ist. Was fehlt, ist zudem der Hinweis, dass Soziale Medien nicht durch eine interpersonale Kommunikationsstruktur zwischen nur zwei Kommunikationspartnern gekennzeichnet sind, sondern sich tendenziell an ein disperses Publikum richten sowie auf der technischen Grundlage des WWW basieren (wobei auch das wiederum stark angreifbar ist!!!). Damit würden sowohl E-Mails, wie auch Newsgroups ausgeschlossen und würden nicht unter den Begriff der „Social Media“ fallen!

Zu 1) Yeah 🙂
Im Fokus dieses Punktes steht die „Personalisierung“. Der Trend verstärkt dieses Merkmal lediglich, ist aber nicht als alleiniges Kennzeichen feststellbar!

Zu 6) Womöglich müsste hier die Begrifflichkeit noch mal überdacht werden. Offene Programmierschnittstellen sind einer der Grundgedanken des Prinzips „Web 2.0“. Traditionellerweise finden sich Inhalte an einer zentralen Stelle. Worauf ich hinaus möchte: Über API`s können diese Inhalte von dieser zentralen Stelle losgelöst werden, teilweise automatisch an anderen Positionen (dezentral) integriert werden (+ „any devices“) Zudem kann der Zugang zu Plattformen und Netzwerken dezentral organisiert werden. Wie gesagt, vielleicht umschreibt es eine andere Begrifflichkeit besser. Vorschlag?

Zu 7) Na ja, die Synchronität der Kommunikation (Schlagwort: Echtzeit) halte ich auch weiterhin für eines der augenscheinlichsten Merkmale der Sozialen Medien, auch wenn man über den Begriff „Echtzeit“ in der Tat diskutieren kann!

Zum Fazit: Social Media ist nicht ausschließlich nur ein Marketingbegriff, sondern eine Entwicklung im Rahmen der Grundidee des „Web 2.0“. Du hast vollkommen Recht, wenn du sagst, dass diese Kennzeichen und Merkmale nicht nur für Soziale Medien, sondern durch die feste Etablierung/Integration innerhalb des Internets tendenziell für das gesamte WWW anzusehen ist!

PorNoKratie
9. Juli 2010 at 19:01

Puh, ich hab mir mal erlaubt, die obige Definition von Social Media entsprechend meines Kommentares anzupassen!

Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich immer noch nicht ganz zufrieden damit bin. Vielleicht hat noch irgendjemand Anmerkungen bzw. Vorschläge dazu?

Ich tendiere dazu, die Begrifflichkeiten „Web 2,0“, „Social Software“, „Social Media“, „Social Networks“ und „Social Web“ von einander abzugrenzen, wobei sie sich teilweise auch überschneiden bzw. zu Teilen Bestandteile voneinander sein können!

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird gerne alle kreuz und quer verwendet, in vielen Fachbeiträgen und Studien ebenfalls. Selbst die wissenschaftliche Literatur ist da nicht immer eindeutig und einer Meinung. Das im Artikel wäre nun mein Vorschlag einer Arbeitsdefinition. Da ich damit aber alles andere als zufrieden bin, würde ich mich über bessere Vorschläge, die möglichst alle Aspekte berücksichtigen, aber sehr freuen!

Und ja, ich weiß, ich tendiere in der Tat dazu, das ganze technisch und nicht alleine im Fokus von Prozessen zu sehen. Hmmm…

C. Schmidt
9. Juli 2010 at 20:09

Hallo Jan,

wirklich interessanter Versuch von dir. Da ich mich auch damit beschäftigt habe, will ich deine Perspektive um mein Fazit wissenschaftlicher Auseinandersetzung ergänzen. Halte solche Versuche für sehr wichtig und ein pragmatischen Ansatz und Diskussion wie bei dir hier, für sehr sinnvoll.
Meiner Meinung nach wird aus wissenschaftlicher Perspektive durchaus differenziert zwischen den Begrifflichkeiten:

1. Web 2.0 (als wissenschaftlich durchaus kritisch betrachtetes Konzept eines *weiterentwickelten* Netztes) welches verschiedene Komponenten verbindet (Wirtschafts/Technik/Soziales etc.)
2. Social Software als vornehmlich technisches Konzept typusartiger Software
3. Social Web als Teilkonzept eines *Neuen Netztes* welches sehr oft auf eine technische Basis (Social Software) und eine interdisziplinär sozialwissenschaftliche Basis (facettenreiche Interaktionen durch Social Software-Anwendungssysteme etc.) gestellt wird
4. Social Networks als eigentlicher Typus eines bestimmten Anwendungssystems im Social Web (aber der wohl wichtigste Typus durch zunehmende Integration/Verbreitung)

Social Media?! Da bin ich bisher auf kein überzeugendes Konzept gestoßen. Aber dein Ansatz ist sehr interessant. Tendenziell für sehr sinnvoll halte ich eine Trennung zwischen technischen und sozialen Phänomenen bei Ansätzen einer Differenzierung.

Hoffe das Feedback hilft dir 🙂 Hier stütz ich mich auf dir sicherlich bekannte und vielfach aufgegriffene Konzepte von Ebersbach/Glaser/Heigel (2008) und sowie sehr zu empfehlen der Ansatz von Jan Schmidt (in etwa Schmidt 2009: Das neue Netz).

Beste Grüße aus Ilm
Chris

meckerossi
9. Juli 2010 at 20:10

Hast du eigentlich die letzten social media Stammtisch per Stream verfolgt? Marco Bräuer und ich (mit realen Namen 😉 haben dort einen Definitionsansatz über „virtual community“ vorgeschlagen. Was hälst du denn davon?
P.S.: Ist „Web 2.0“ nicht auch nur ein Marketingbegriff?

PorNoKratie
9. Juli 2010 at 20:33

Hallo Chris,

erstmal vielen Dank für dein Feedback, das hilft mir in der Tat weiter 🙂

Die von dir angemerkten Unterscheidungen und Abgrenzungen stimmen weitestgehend mit dem überein, was ich erarbeitet habe und was sich so auch aus der Fachliteratur ableiten lässt. Bei Social Media stimme ich dir zu, da habe ich bisher auch noch kein überzeugendes Konzept bzw. eine zufriedenstellende Definition gefunden. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich mit den Sachen in der Fachliteratur nicht immer ganz zufrieden bin, selbst Ebersbach, die noch den „besten“ Überblick zu geben scheint, stellt mich alles andere als zufrieden.

Danke übrigens für den Tipp mit „Das neue Netz“ von Jan Schmidt. Auf den ersten Blick klingt das schon mal ganz interessant, werd mir das mal genauer anschauen!

In welchem Zusammenhang hattest du dich denn mit dieser Thematik auseinandergesetzt bzw. mit welchem Fokus?

Liebe Grüße aus Berlin,
Jan

PorNoKratie
9. Juli 2010 at 20:38

Nein, habe ich nicht gesehen, war mir auch gar nicht bewusst! Wie lautet denn euer Definitionsansatz der „Virtual Community“?

Hehe, „Web 2.0“ ist sicherlich zu gewissen Teilen ebenso ein Marketingbegriff, wie es „Social Media“ ist. Aber beide Begriffe habe durchaus ihre Berechtigung und umschreiben ja in der Tat Entwicklungen bzw. Phänomene (je nachdem…), die als solche eine eigene Begrifflichkeit „verdient“ haben. Ich finde es deswegen auch wichtig eine genaue Definition und Abgrenzungen der einzelnen Begriffe zu erhalten (oder zu erarbeiten) um von diesem inflationärem Marketinggebrauch weg zu kommen! Und ich denke wir sind hier ja schon mal auf einem ganz interessanten Weg… 😉

Multimedchen
9. Juli 2010 at 22:34

Hey PorNoKratie,

was meiner Meinung nach nicht übersprungen werden darf, sind Interpretationsversuche des Begriffs/“Trend“?Wortes „Social Media“ an sich. „Mit dem großen Unterschied, dass potentiell jeder Nutzer aktiv daran teilnehmen und eigene Inhalte publizieren kann.“ Wenn das allein der Satz sein soll, der ein „Social“ vor dem Wort „Media“ rechtfertigt, was (mal abgesehen von der „Synchronität der Kommunikation“) unterscheidet Twitter, Facebook und Co. dann eigentlich vom guten alten Leserbrief.
Ich denke die Wortkombination „Social+Media“ ist (ob nun überlegt gewählt oder ein Marketing-Kunstwort) eine sehr interessanter Begriff, der ironischerweise bereits mehr sagt und bedeutet als seine bisherige Definition bzw. das, was bisherig unter seinem Namen stattfindet oder vielleicht sogar jemals stattfinden wird :)))
Ich denke nicht, dass er definiert werden kann, ohne das Augenmerk auf das Wort „Social“ zu legen und wenn wir „Social“ im Sinne digitaler Kommunikation definieren, dann kommen wir nicht umhin, Sachen wie Art der Distribution („Kanäle“, „Plattformen“) , Referenzierung und Echtzeit hinten anzustléllen und uns ZUALLERERST den Nutzer, Akteure, Reziepienten, Publikum… zu widmen. Und damit ergibt sich für mich und meiner analogen Auffassung von „sozial“ die Frage: Sind wir denn überhaupt schon Social Media und können wir es jemals sein?
Ich bin kürzlich auf zwei Beiträge gestoßen, die mich begeistert bzw. zum Grübeln gebracht haben, gerade weil sie so konträr sind. Zum einen „Das Schweigen des Weblogs von Alexander Endl mit der treffenden Feststellung „Zeigen und Teilen scheint eh zunehmend wichtiger zu werden als eine Diskussion“. Interessant scheint mir Endls Anmerkung zur „Bequemlichkeit“ von Nutzers: „Haben die Deutschen (und nur hier habe ich den empirischen Vergleich) die Lust am Kommentieren verloren?“ und den Nachschub „Wohl nein, im Gegenteil. Aber eben nicht mehr in freier Wildbahn. Man will zwar über Themen diskutieren, aber nicht mehr irgendwo im WWW, sondern “unter sich”. Der aktuelle Siegeszug (und so darf man das durchaus nennen) von Facebook spiegelt das wieder, was die Gesellschaft offenbar will, wenn sie “mitmachen” soll: die Gemeinschaft/Community. Man will weder irgendwo eine Diskussion beginnen, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, noch sich zwischen anonymen Troll-Kommentatoren und sich dabei selbst öffentlich outend in die Massenkommentar-Keilerei eines Populären Forums oder Blogs werfen. Man will “unter seinesgleichen” sein, wo man weiß, wer liest und Reaktionen bekommt von denen, deren Reaktion einen auch interessiert.“ http://www.endl.de/weblog/2010/07/05/das-schwei…

Hmm, also: Was ist bequem? Was ist unsozial? Was ist überhaupt sozial? What the f***in hell is social media? Es geht um Menschen. Analog wie digital. Deshalb finde ich, sollte man sich zu Beginn ein paar Definitionen der echten Welt zu Gemüte führen und der ALTEN Welt bzw. Schule. Denn das hat Dr. Gernot Wersig, Prof an der FU Berlin getan und nicht nur einige Hinweise aufgeschrieben, „Warum es Sinn machte, vom Rezipienten-Modell Abschied zu nehmen“, sondern sogar die „Humanismus“-Theorie für eine „Soziale Medien“-Definition zu verwenden. Denn „mit der zunehmenden Komplexität der Kommunikationslandschaft, den Alternativen und Wahlmöglichkeiten, den neuen Formen der Aktion und Interaktion entsteht für die Menschen eine Situation kommunikativer Ungewißheit, die sie bisher nur in Ansätzen erlebt hatten. Damit tritt eine neue Situation ein, in der die Menschen selber die Hilfe von Wissenschaft brauchen könnten. Gerade Kommunikationswissenschaft könnte ein Vorreiter für eine alltagsnähere Wissenschaft sein als sie Luhmann noch 1990 gefunden hatte. Darin könnte auch eine Revitalisierung des voreilig totgesagten Humanismus (Bolz 1994) gegeben sein, wie sie etwa auch von Toulmin 1991 eingefordert wird. http://userpage.fu-berlin.de/~pwersig/440.html

Liebe Grüße von NeunEurodieStunde

PorNoKratie
10. Juli 2010 at 00:24

Hallo Multimedchen 🙂

Interessanter Punkt: Machen wir vielleicht einen Fehler, wenn wir Social Media zu sehr aus systemtheoretischer Sicht betrachten, bei der wir gerne dazu neigen, uns zu sehr mit Strukturen und Funktionen auseinanderzusetzen und dabei gerne mal in technischen Aspekten verlieren?! Sollten wir nicht stattdessen vielmehr eine handlungstheoretische Betrachtung versuchen, die neben der Handlung selbst, den Akteur, den Handelnden, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt?!

Ich bin in der Handlungstheorie nicht ganz so tief bewandert, berichtigt mich, wenn ich etwas falsch im Kopf oder nicht richtig verstanden habe oder mit meinen Gedankengängen und Verständnis was System- und Handlungstheorie generell angeht komplett daneben liege!

Beim Thema Handlungstheorie kommt man ja nicht um Max Weber herum, der ja Handeln als sinnhaftes und für die Menschen verstehbares Handeln begreift. D.h., Handeln ist nach Max Weber ein verständliches, durch einen (subjektiven) Sinn bestimmtes, (Sich-)Verhalten gegenüber anderen Objekten. Im Rahmen der Handlungstheorie unterscheidet man zwischen „Handeln“ und „Verhalten“, je nach Perspektive, ob die Betrachtung aus Sicht des „Akteurs“ oder des „Beobachters“ erfolgt. Demnach ist das „Handeln“ aus der Sicht des „Akteurs“ zu verstehen und das „Verhalten“ umschreibt das gleiche „Handeln“ nur aus Sicht des „Beobachters“, der das beobachtete Handeln registriert und subjektiv versteht.

Weber hat ja seine Idee des Handelns erweitert in ein – und hier wird es noch interessanter – „soziales Handeln“! Soziales Handeln beschreibt dabei ein Handeln, dass der Akteur sinnhaft auf andere Akteure bezieht und sich gleichzeitig wieder an diesem Bezug orientiert. Um die beiden Konzepte von „Handeln“ und „sozialem Handeln“ zu veranschaulichen hatte Weber seinerzeit (also 1922) folgendes Bild gezeichnet: Zwei Fahrradfahrer begegnen sich auf der Straße und prallen zusammen (= nicht soziales Handeln). Und zwei Fahrradfahrer begegnen sich auf der Straße und weichen sich aus (= soziales Handeln). Heißt: Beim sozialen Handeln wird das eigene Handeln mit dem Handeln von anderen Akteuren in Bezug gesetzt und dementsprechend danach koordiniert! Weber unterscheidet vom sozialen Handeln, welches (Handlungs-)Motive in den Vordergrund stellt, das zweckrationale Handeln, bei dem materielle Gründe ausschlaggebend sind.

Auf was ich letztendlich eigentlich hinaus möchte: Ist es nicht so, dass man „Social Media“ – und ich blende jetzt das Argument mit dem Marketingbegriff einfach mal komplett aus, weil es mir hier wirklich darum geht, das „Phänomen“ wissenschaftlich zu verstehen – sowohl aus handlungstheoretischer Sicht wie auch aus systemtheoretischer Sicht betrachten kann?! Ich gehe mal von einem klaren „ja“ aus! Wenn wir den Begriff also im Sinne der Handlungstheorie begreifen wollen, dann ist es durchaus richtig, der „Handelnde“ und die „Handlung“ steht im Fokus der Betrachtung! Systemtheoretisch hingegen rücken die Systeme und damit auch Strukturen, Funktionen und nicht zuletzt die technische Betrachtung in den Vordergrund.

Aber noch mal: Umschreibt Max Weber nicht in seiner Handlungstheorie mit dem „sozialen Handeln“, das, was heutzutage als „Social Media“ begriffen werden kann, nämlich soziales aufeinanderbezogenes Handeln über soziale Netzwerke?!

Da ich mich aber im Rahmen meine Diplomarbeit auf systemtheoretischem Feld bewege und mich dort auch konsequenterweise auf dieser Ebene mit Social Media auseinandersetze, bin ich da bisher wohl noch etwas zu sehr von der handlungstheoretischen Betrachtung entfernt .

Aber ich muss schon zugeben: Ich bin ganz angetan 🙂

meckerossi
10. Juli 2010 at 01:23

Wir orientieren uns da an Porters Definition (welche wiederum auf Preece’s aufbaut) und ihrer Dimensionierung, die man bei Bedarf auch erweitern kann.
http://jcmc.indiana.edu/vol10/issue1/porter.html

Multimedchen
10. Juli 2010 at 01:49

Und ich freue mich, dass du meiner Idee von einer einer Social-Definition bzw. den „sozialen“ Soziologen wie Weber und Habermas (bedingt) nicht abgeneigt bist. Ich finde die Typen des Handelns nach Weber (traditionell, affektiv, zweck- und wertrational) bezogen auf Social-Media-Akteure z.B. Facebook und Twitter) wären schon eine Studie wert 🙂 und bestimmt auch die beiden Handlungsabsichten nach Habermas verständigungs- (sozial) bzw. erfolgsorientiert (bedingt sozial bis nicht sozial).
Die Systemtheorie finde ich persönlich die leichtere Variante, sich dem Thema „Social Media“ zu nähern, gerade weil sie abstrakter betrachtet und Begriffe wie Kommunkikation statt Mensch verwendet. Dennoch bin ich nicht so sehr ein Freund des sachbezogenen Begriffs, sondern ziehe personenbezogene Aspekte wie „Motivation“ und „Bedürfnis“ sowie die „Variable Mensch“ vor. Ich habe soeben mal „Weber + Social Media“ gegoogelt und einen amüsanten Beitrag von Alexander Marquaß (studiert Soziologie an der Uni Bremen) gefunden, indem er das „Handeln“ auf Facebook betrachtet und nach dem „gerichteten Sinn“ fragt, indem er u.a. die Frage stellt „Ist es nicht sogar teilweise wirklich soweit, dass sich lediglich nur noch verhalten wird? Hmm…ich glaub, ich recherchier mal, was Marx, Tönnies, Adorno, Hegel und Co. so zum Thema „Social Media“ und „Homo Modernus“ „sagen“ 😉

Wie auch immer, folgendes Alexis de Tocquevilles Spruch kann man auch auf Social Media anwenden:

„Unsere Zeitgenossen sind ständig von zwei widerstreitenden Leidenschaften geplagt: sie fühlen das Bedürfnis, geführt zu werden, und dabei die Lust, frei zu bleiben.“

…und so weit wirds mit dem Homo Modernus/Digitalus hoffentlich nie kommen

http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/d…

Grüße

Multimedchen
10. Juli 2010 at 01:51

Vergessen: Der Beitrag von A. Marquaß https://www.comm-press.de/users/alexander-marqua

PorNoKratie
10. Juli 2010 at 02:12

Google mal nach Habermas + Social Media! Da gabs in den letzten Jahren in der internationalen, aber insbesondere in der deutschen Blogosphäre sehr spannende Diskussionen zu. Wobei, ich glaub zu der Zeit war noch gar keine Rede von „Social Media“, dann eben Habermas + Web 2.0 🙂

PorNoKratie
10. Juli 2010 at 02:44

Vielleicht sollte ich doch nochmal einen extra Blog-Artikel zum Thema Habermas schreiben, hier mal ein kleiner Anfang:

Habermas knüpft in seinem 2006 erschienenen Werk „Kleine politische Schriften IX“ an seine Arbeit „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ an und erweitert diese um die Möglichkeiten, die sich durch das Aufkommen des Internets sowie speziell des Web 2.0 entwickelt haben. So sieht Habermas in der Internetkommunikation die Chance „die Schwächen des anonymen und asymmetrischen Charakters der Massenkommunikation auszugleichen, indem es den Wiedereinzug interaktiver und deliberativer Elemente in einen unreglementierten Austausch zwischen Partner zulässt, die virtuell, aber auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren“ (Habermas 2006). Diese interaktiven Rückkanäle erlauben es den Rezipienten, nicht nur Inhalte und Informationen passiv zu konsumieren, sondern selbst aktiv an der Kommunikation im öffentlichen Raum teilzunehmen und Inhalte an die breite Öffentlichkeit zu verteilen. Habermas spricht in diesem Zusammenhang von der Wiederbelebung der „historisch versunkene Gestalt eines egalitären Publikums von schreibenden und lesenden Konversationsteilnehmern und Briefpartnern“ (Habermas 2006).

Aber auch gesamtgesellschaftlich sieht Habermas in den Möglichkeiten, die sich durch die Entwicklung des Web 2.0 ergeben haben durchaus Gewinne und Vorteile. So würden durch die Internetkommunikation, die es jedem Nutzer ermöglicht, Nachrichtenwerte zu erschaffen und zu verbreiten, demokratische Dienste geleistet, da etwa eine Unterdrückung von spontaner öffentlicher Meinung durch autoritäre Regime unterminiert werde (vgl. Habermas 2006). Dass dieser Gedanke durchaus Relevanz besitzt, zeigte sich im Sommer 2009, als es in Iran im Anschluss an die dortigen Präsidentenwahlen zu einer Protestbewegung kam, die sich insbesondere über das Internet organisierte und über diverse Internetkanäle Bilder aus dem Iran in die Welt schickte. Habermas jedoch sieht hierin auch die Fragmentierung eines Massenpublikums, welches „im virtuellen Raum in eine riesige Anzahl von zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen“ agiert (Habermas 2006).

C. Schmidt
10. Juli 2010 at 12:07

Ich hatte mich im gleichen Rahmen wie du, bloß etwas allgemeiner, d.h. im Fokus Unternehmenskommunikation im Social Web auseinander gesetzt. Dabei ging es mehr darum, wie sich Rahmenbedingungen der Online-Kommunikation von Organisationen verändert haben und vor allem, wie Grundfunktionen des Social Web in ein Kommunikaitonsmanagement sinnvoll eingeordnet werden können.

Übrigens im *Neuen Netz* findest du einen ersten Versuch handlunsgtheoretischer Analyse zum Social Web. Letztlich bleibt aber das dir wohl bekannte Grundproblem: Wenn du diesen offentsichtlich publizistischen bzw. medienwissenshaftlichen-Fokus von Sozialen *Medien* bei deiner Betrachtung einnimmst, stößt du durch handlungstheoretischen Analysen eben schnell an die Grenzen.

Au der anderen Seite ist es doch auch super, wenn dir niemand einen zufriedenstellenden Ansatz liefern kann – der Kreativität sind daher keine Grenzen gesetzt wie hier allgemein zu sehen ist. Daher wünsch ich dir noch viel Spaß 😉

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