Vor einigen Tagen gab es bereits den ersten Teil des Interviews, das der Journalist Hermann Bellinghausen nach dem Aufruhr in San Salvador Atenco mit Subcomandante Marcos führte.
Marcos, der sich als Sprecher und Vertreter der Anderen Kampagne mittlerweile auch Delgado Zero nennt, änderte damit seinen Kurs in der Zusammenarbeit mit den Medien und gab mit dem Interview für die Zeitung La Jornada am 10. Mai 2006 seinen ersten öffentlichen Presseauftritt seit 5 Jahren.
Die Andere Kampagne und Mexiko
Nun liegt mir auch der zweite Teil des Interviews vor, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Abermals erhielt ich den Inhalt vom Chiapas98-Newsletter zugesandt. Die Übersetzung stammt von Dana.
In dem zweiten Teil des Interviews, der die Überschrift “Eine Regierungsform kann durch friedliche Mittel geändert werden“ trägt, spricht Marcos über die politischen Zustände in Mexiko, die bevorstehende Präsidentschaftwahl und welche Rolle die Andere Kampagne dabei spielt.
Die Macht des Volkes
Marcos weist darauf hin, „dass das Volk zu jeder Zeit das Recht hat, seine Regierung zu wechseln, dass die politische Klasse in der Regierung abgesetzt werden und gleichzeitig das System verändert werden müsse.
Bei der Beantwortung der Frage von Bellinghause, wie man die politische Klasse, die die Macht, das Geld und die öffentliche Gewalt besitzt, absetzen könne, verweist Sub Marcos darauf, dass dies friedlich und mit einer gemeinsamen Bewegung generic abilify geschehen muss:
Durch zivile und friedliche Mobilisierung. Das Problem ist, dass wir, oder zumindest Sie alle, von der Frage vereinnahmt sind, wie dies ohne Gewalt zu bewerkstelligen wäre. Das klassische Bild ist eine bewaffnete Armee oder ein Sturm auf den Winterpalast (und dann hat man die Revolution).
Und die Andere Kampagne sagt nein, wir werden vereint entdecken, wie stark wir sind, und was wir alles schaffen können, aber immer dem zivilen und friedlichen Weg verpflichtet, mit vielen guten Ideen und Vorschläge, die von unten kommen.
Es geht hier nicht um einen bewaffneten Aufstand oder ein Zentralkommando.
Vielerorts wo der bewaffnete Kampf vorgeschlagen wurde, war es die EZLN, die nein sagte, weil das eine Option ist, die viele Menschen ausschließt; sie steht nur denen offen, die sich daran beteiligen können, und die Mittel dazu haben, und die Mehrheit ist davon ausgeschlossen, oder noch schlimmer, in der Mitte gefangen. Wir müssen etwas aufbauen, das alle einbezieht.
Die Mobilisierung der Massen
Delgado Zero sieht das Problem des Wettrüstens und Isolierens, wenn man sich auf eine bewaffnete, nicht-gewaltfreie Revolution einlassen würde. Dabei haben die, die die Macht besitzen, den klaren Vorteil auf ihrer Seite. Deswegen müsse man nicht-militärische Optionen wahrnehmen. Sein Zauberwort lautet Mobilisierung. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung sich anschließt und alle gemeinsam an einem Strang zögen, könnte dies mit keiner Armee der Welt zerstört werden.
Dass es möglich ist die bestehende Macht auf friedlichem Wege zu Fall zu bringen, davon ist Subcomandante Marcos überzeugt:
“Die gegenwärtige politische Klasse, ja. Ihre staatlichen Fundamente sind bereits zerrüttet.“
Im weiteren Verlauf des Interviews geht es dann um die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Mexiko, die Anfang Juli stattfinden werden.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Marcos weist darauf hin, dass der Ausgang der Wahl, keine wirkliche Besserung der Probleme verspreche:
“Das ist nur ein Wechsel im Management, während die da oben in den Vereinigten Staaten sagen „wir haben kein Problem damit, wer regiert, ob es die Rechten oder die Linken sind, wir werden das arrangieren, damit sich die Wirtschaft in der Grundform nicht ändert“.
Marcos betont, dass nur ein neuer Manager die Firma Mexiko GmbH übernehmen wird. Das Prinzip, die Unternehmung selber, bleibe dieselbe. In seinen Augen verspricht keiner der Kandidaten einen wirklichen Wechsel:
“Welchen Unterschied macht es, ob es Madrazo ist (gegen Madrazo könnten sie sogar ein paar Vorbehalte haben, weil der weiterhin klauen wird).
Was Calderon angeht, kann man davon ausgehen, dass er die soziale Rebellion verschlimmern wird; wenn Calderón an die Macht kommt, wird er eine Rückkehr zur militärischen Niederschlagung von sozialen Konflikte provozieren.“
Die Bevölkerung wehrt sich
Dies würde wiederum einen starken Widerstand aus der Bevölkerung und damit auch der Gegenbewegung bedeuten:
“Wenn man ein Volk unterdrückt oder ihm Angst einjagt, fangen sie an, nach anderen Optionen zu suchen, und das ist der Augenblick wenn politisch-militärische Organisationen – Guerilla-Gruppen – sagen, jetzt sind wir an der Reihe.“
Auch von López Obrador, dem aussichtsreichen Kandidaten der Linken, hat Marcos kein gutes Bild:
“Wenn es keine andere Option gibt, wird er den Nationalstaat mit einem neuen Management für die gleiche Krise neu errichten.
Er besitzt Prestige bei den Grasswurzelorganisationen, er besitzt die moralische Autorität der Ehrlichkeit, aber das hat er sich durch die Mannschaft, die er gebildet hat, zerstört, und alle anderen Verschleierungen, um „nicht der Rechten in die Hand zu spielen“.“
Die Qual der Wahl – Das kleinere Übel?
Demzufolge traut Marcos auch keinem der besagten Kandidaten den Willen und die Möglichkeiten einer wirklichen Veränderung hin zum Positiven zu.
“Nichts davon ist machbar. Die Zerstörung ist so tiefgreifend, dass radikale politische Maßnahmen nötig sind. Wir brauchen ein Programm, das wirklich links accutanegeneric-reviews ist. Von oben wird es nicht kommen, weil niemand da oben es vorschlägt. Wir müssen von unten her einen landesweiten Kampf aufbauen.“
Nehmt den Reichen und gebt den Armen
Ein Vorschlag, den man in Mexiko immer wieder zu hören bekommt, lautet, die Reichen aus dem Land zu werfen. Dass dies nicht nur irrsinnige und populistische Forderungen ohne http://cymbaltaonline-pharmacy.com/ Zweck seien, die nicht umzusetzen sind, erläutert Marcos:
“Das ist bereits geschehen. Da wo sie weggegangen sind, hat sich die Lage zum Guten verändert. Die Finqueros haben das zapatistische Territorium verlassen, und sagten, dass der Boden brachliegen würde.
Aber jetzt bringt das Land mehr hervor als damals, als es ihnen noch gehörte, und nur als Viehweide benutzt wurde.
Unsere Ernährung hat sich verbessert, der Kaffeepreis hat sich verbessert, wir haben Wege entwickelt, unsere Projekte ohne Kojoten zu verkaufen, und die Produktion hat sich verbessert.
Die Orte, an denen die Gemeinden ihre eigenen Organisationen durchgesetzt haben, haben die niedrigste Verbrechensrate im ganzen Land.
(…)
Überall wo die
Menschen sich selbst organisieren, läuft alles besser.“
Die Andere Kampagne bietet neue Chancen
Marcos ist davon überzeugt, dass die Andere Kampagne als gewaltfreie Bewegung fähig ist, die Dinge zu verändern. Dabei betont er, dass die Bewegung durchaus auch in der Lage sei, Eskalationen wie bei früheren Aufständen zu verhindern:
“Die indigenen Völker sehen die gleichen Symptome wie damals in 1990. Wenn wir 1990 die Andere Kampagne gehabt hätten, dann hätte es den bewaffneten Aufstand nicht gegeben. Señor Ik wäre nicht tot, auch nicht Subcomandante Pedro, oder Fredy, oder Aldo, oder irgendeiner von denen, die bei dem Aufstand gestorben sind, denn wir wären nicht gezwungen gewesen, es auf diese Weise zu tun. Unsere Stimmen hätten überall Gehör gefunden. Wir sehen überall das gleiche, dieser Drang loszubrechen und zu sagen „Es reicht!“ Ganz gleich was es kostet. Und wir wissen, dass das ein Rezept für wahllose Aktionen ist, wenn es keine politisch-militärische oder spontane Organisation gibt, die stärker ist.“
Das Prinzip geht vor Aufmerksamkeit
Eine gewaltfreie Bewegung erzeugt weniger Aufmerksamkeit als ein militanter Aufstand, bei dem unzählige unschuldige Menschen ihr Leben lassen müssen. Dennoch haben sich die Zapatisten bewusst für diesen Weg entschieden. Sie verfolgen die Idee, dass die Bevölkerung Mexikos sich freiwillig anschließen muss. Überzeugungsarbeit statt militanter Zwang.
“Das Prinzip der Anderen Kampagne ist es, sich gegenseitig zu unterstützen. Menschen werden gefangen genommen, und anstatt zu diskutieren, ob es ein Problem damit ist, wenn das Gemüse zu spät auf den Markt kommt, oder wenn es ein Verkehrsstau gibt oder die Leute zu spät zur Arbeit kommen, sollten wir uns fragen, weshalb es diese Situation überhaupt erst gibt.
Und welche andere Option zu kämpfen haben diese Menschen denn? Ein bewaffneter Aufstand? Man soll keine Autobahnen sperren, keine Straßen blockieren, keine Protestzüge abhalten. Na dann, klar, man schließt sich einer bewaffneten politischen Bewegung an und macht einen bewaffneten Aufstand, und die Leute hören einem zu.“
Der Wind, der von Unten kommt
Der Weg allerdings ist zäh und steinig. Das Ziel ist fern. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Bevölkerung Mexikos gemeinsam an einem Strang zieht und zusammen hält. Der Gegner ist mächtig und hat die bessere Ausgangsposition, so scheint es. Aber eine gesunde Zivilgesellschaft, die zusammen hält und weiß, was sie will ist der Trumpf der Anderen Kampagne.
“Die beherrschende Klasse ist mächtiger, aber sie hat für die Menschen immer weniger Bedeutung, sie ruft immer weniger Interesse hervor. Wären die Dinge, die sie gesagt haben, ansonsten nicht auch beim Protestmarsch von Chapingo nach Atenco aufgekommen?
Sachen wie „Verschwindet! Radikale! Mörder! Nimm die Maske ab!“ Genau das Gegenteil ist passiert.“
Bewegung in Mexiko
Ziel der Anderen Kampagne sei es, eine landesweite Bewegung zu organisieren. Dabei soll es nicht nur nach den Zielen und Vorhaben einiger weniger Anführer gehen. Vielmehr sollen die vielfältigen und unterschiedlichen Meinungen der Bewegung vereint werden und alle gemeinsam für demokratische Veränderungen kämpfen.
“Die Andere Kampagne ist die einzige landesweite Bewegung, die wirklich von links kommt. Ich meine landesweit, weil sie in allen 32 Bundesstaaten existiert. Und mit links meine ich nicht, dass sie revolutionär, reformistisch, oder anti-kapitalistisch ist oder nicht.
Obwohl sie sich zur Zeit ziemlich stark auf diese Marcos Figur oder die EZLN konzentriert, garantiert gerade das, dass es keine vorherrschende oder homogenisierende Kraft darin gibt.
Jeder und jede von uns hat darin seinen oder ihren eigenen Raum und Forderungen, und das der Bewegung erlauben ein landesweiter Kampf zu werden.“
Der Aufstand der Unterdrückten
Diese Bewegung der Zivilgesellschaft ist in den Augen der Mächtigen ein Aufstand. Ein Aufstand gegen die Ordnung. Ein Aufstand gegen ihre Ordnung. Doch die Menschen möchten nicht eine Ordnung aufgezwungen bekommen, die ihre Freiheit unterdrückt.
“Regierbarkeit ist Ruhe und Ordnung. Und wir sehen gerade, dass Ordnung nicht so http://abilifygeneric-online.com/catalog/Depression/Venlor.htm aufgezwungen werden kann. Ordnung wird durch Legitimität durchgesetzt, nicht durch Gewalt. Und die Regierung will sie durch Prügel und Verhaftungen durchsetzen, und indem sie die Menschen unterdrückt, die Straßenblockaden, Protestkundgebungen und Demonstrationen abhalten, und immer mehr Leute ins Gefängnis steckt.
Wir werden ein Punkt erreichen, an dem entweder die gesamte Bevölkerung im Gefängnis sitzt, oder sie genug Angst generiert haben um Marcos auszulöschen.“
Die Karawane von links unten
Die Andere Kampagne sei mehr als ein Gegenmittel sowohl für eine gewaltfreie, wie auch für eine isolierte Revolte. Die Andere Kampagne ist laut Subcomandante Insurgente Marcos ein Aufstand. Dabei vereine sie all die Widerstände und Kämpfe unter einem Dach.
“Alle linken politischen Organisationen werden zusammenkommen, so wie das in der Karawane der Fall war. Sie wird in diesem Land eine noch nie da gewesene kulturelle, politische, wissenschaftliche und humanistische Bewegung schaffen, von unten und von links.“
Das gesamte Interview von Hermann Bellinghausen in deutscher Übersetzung könnt ihr auch im Archiv auf Chiapas98.de nachlesen! Das Original gibt es auf den Internetseiten der La Jornada.
Mit solidarischen Grüßen!
bluejax
Rottenburg, den 27. Mai 2006
Quellen und Links:
http://www.bluejax.net/2006/05/14/sub-marcos
-im-interview-die-kraft-von-unten-%e2%80%93
-uber-atenco-politiker-und-die-medien/
http://es.wikipedia.org/wiki/Hermann_Bellinghausen
http://www.bluejax.net/2006/05/08/ya-basta-
solidaritat-mit-der-bevolkerung-mexikos-%e 2%80
%93-gegen-willkur-und-menschenrechtsverletzungen/
http://www.jornada.unam.mx
http://www.chiapas98.de/news.php?id=1410